Das sanfte rauschen und
der salzige geruch des meeres hüllten sie ein. Sie schlang die arme um ihren
oberkörper. Sie war zuhause!
Eine unendliche ruhe
legte sich auf ihren geist. Sie fühlte sich frei, so frei wie noch nie in allen
Jahren, in denen sie gelebt hatte.
Sie legte den Kopf in
den Nacken, schloss die Augen und atmete tief durch.
Als sie die Augen
öffnete, sah sie, dass der Mond zum greifen nah schien.
Sie kannte diesen Ort.
Sie war hier schon einmal, zu einer anderen Zeit, in einem anderen Leben. Sie
konnte ihn spüren. Seine Präsenz. Denn hier, an diesem Ort, hatten sie sich
immer zurückgezogen, wenn sie allein sein wollte.
Am liebsten würde sie
sich vollkommen fallen lassen, wenn die Gefühle, die auf sie einstürzen,
drohten sie zu bewältigen. Liebe. Begehren. Sehnsucht – es war, als würde sie
entzwei gerissen.
Sie sank auf die Knie.
Sie krümmte sich zusammen, den Kopf in den Händen gestützt, Erinnerungen und
längst vergessene Träume wirbelten durch ihre Gedanken.
Ein Gesicht. SEIN
Gesicht. Immer nur er. Nie ein anderer. War es nie gewesen.
Tränen rannen in
Sturzbächen über ihre Wangen und sie begriff, was immer geleugnet hatte. Sie
liebte ihn. Hatte ihn immer geliebt. Und würde ihn immer lieben.
Ein lautes schluchzen
entfuhr ihr, durchbrach die Stille und erschütterte sie. Sie sollte eigentlich
nicht fühlen, sie durfte nicht fühlen und dennoch – ihr Herz ging ihr über vor
Liebe.
Zitternd erhob sie
sich, wandte sich um und ließ den Blick über die Landschaft gleiten. Sie
lächelte, als sie die Farben der Magierstämme erkannte.
Ist dies die Zukunft?
Die Stämme erstarkt, auferstanden und vereint? Und welche Rolle spielte sie
dabei?
In der Ferne loderte
eine Flamme auf, wild und lebhaft, und sie erkannte, dass es sich um Raphaios
handelte. Unbändige Freude erfüllte sie und für einen Moment verlor alles an
Bedeutung.
Dunkle Federn wirbelten
durch die Luft, die Dunkelheit wurde von einem hellen, gleißendem Licht
verdrängt man mit einem Seufzer der Erleichterung fielen die Fesseln und Bande
von ihr ab, die sie innerlich zerrissen.
Frei von allem, was sie
band, wollte sie auf ihn zu eilen.
Ein plötzlicher Schmerz
ließ sie erbleichen. Sie keuchte, stolperte und fiel zu Boden. Auf allen
vieren, die Handflächen fest auf dem Boden gepresst versuchte sie
herauszufinden, was mit ihr geschah. Das Meer bäumte sich auf, die Wellen
brachen hoch an den scharfkantigen Felsen, während in ihrem Kopf eine Stimme
nach ihr rief, sie anschrie, ihr befahl wieder sie selbst zu sein.
Schatten griffen nach
ihr, drangen in sie und vergifteten ihr Herz. Ihre Schreie hallten durch die
Nacht, erzürnten die Wellen. Auf ihrer bleichen Haut zeichneten sich ihre Venen
überdeutlich ab durch die Finsternis, die sich ihrer bemächtigte, verfärbten
sie sich schwarz.
Die Stimme, die sie
rief, die sie aus dieser Illusion, ihrem Traum gerissen hatte, gehörte ihrer
besten Freundin Mirjam.
»Amandria, was auch
immer du da treibst, es ist an der Zeit zurückzukehren. Dein Typ wird verlangt
und du hast definitiv keine Zeit für Tag Tagträume!«
Als sie den Kopf hob,
hatte ihre Haut wieder ihre normale Farbe und das einzige leuchtende, helle ein
ihr waren ihre Augen, die in einem satten, an frisch vergossenes Blut
erinnernden Rot glühten. Nichts an ihr erinnerte an die freie, junge Frau, die
vor wenigen Augenblicken noch so glücklich gewirkt hatte.